Das hat mich berührt
#69787
17/11/03 09:01 AM
17/11/03 09:01 AM
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Keela
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Die Macht des Vertrauens
Chaso ist neun Jahre alt - und heute soll er aufgenommen werden in den Kreis der Männer. "Taufe des Windes" nennen die Kasachen dieses Ritual, die erste Zähmung des Adlers zur Jagd - und Chaso muß es bestehen. Als das Adlerweibchen in die Falle stößt, weiß der Junge, er muß ihr die Beine fesseln, sie ins Lager bringen. Doch Etwas in den Schreien des Tieres lässt ihn innehalten. Ohne zu überlegen, öffnet er das Netz, schenkt dem Adler die Freiheit und kehrt hinab. "Selbst deine Schwestern sind mutiger", schimpft sein Vater. Als einziger Halbwüchsiger muss Chaso an diesem Abend im Lager verweilen, während die Männerjagen und so, das Gesicht rot vor Scham, macht sich der Junge auf, um Wasser zu holen. Er weiß nicht, dass zwei Adleraugen seinem Weg folgen - und die Schreie der Kinder hört er erst als ein furchterregendes Wesen auf ihn hinabstürzt: "Es ist ein Adler", rufen die Frauen. "Es wird Chaso töten!" Doch der Junge bleibt nur stehen - er reckt seinen Arm empor und dann geschieht, was nie zuvor und nie danach einem Nomaden geschah: Der Adler gleitet hinab und lösst sich behutsam auf dem Arm des Kindes nieder...
Ich bin nicht dumm, ich hab' nur voll so Pech beim Denken...
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Re: Das hat mich berührt
#69790
17/11/03 12:21 PM
17/11/03 12:21 PM
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Khira
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Salam a3lleikum @Keela,
diese Geschichte, oder Märchen wie es @Alli nannte, beinhaltet viel Wahres. Denkt man mal richtig nach ( was ja einigen Menschen ersichtlich schwerfällt!) wird man merken, dass uns auf dieser flüchtigen Welt nichts gehört. Die Moral dieser Geschichte: Man muss dem Menschen mit denen man umgeht oder auch den tierischen Lebewesen, die eigene Freiheit/Freiräume lassen!! Das fällt auf irgend einer Weise, wenn nicht sofort, dann irgendwann, bestimmt positiv auf einen zurück. So ganz nach einem chin. Sprichwort: "Hast Du ein Vogel gefangen, so lasse ihn frei. Kommt dieser zu Dir zurück, so ist dieser Dein. Wenn nicht, so hätte er Dir nie gehört."
wassalam Khira
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Re: Das hat mich berührt
#69791
17/11/03 12:32 PM
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Helias
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Hey, Alli,
hast du gestern Abend irgendwas deinem Verdauungssystem besonders Abträgliches gegessen, das dir jetzt im Magen liegt und in den Gedärmen zwickt und zwackt und rumort, sodass du ständig an Klopapier denken musst?
Ich meine: Dass diese Geschichte dich nicht begeistert – okay, Geschmäcker sind verschieden, aber warum fällt deine Reaktion denn gar so unfreundlich und gereizt aus? Hängt das vielleicht irgendwie damit zusammen, dass wir in einer Welt leben, in der von dem Vertrauen, von dem in dem Märchen die Rede ist, oft so gar nichts zu spüren ist, und mit der Enttäuschung über diese bedauerliche Tatsache?...
Elisabeth
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Re: Das hat mich berührt
#69792
17/11/03 12:59 PM
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Alli
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Nein Helias, solche Erfahrungen mit dem Verdauungssystem habe ich noch nicht gemacht. Die Statistiken beweisen, dass wenn man gesund gelebt hat, mit Verdauungsproblemen erst ab einem bestimmten Alter zu kämpfen hat, das ich noch nicht erreicht habe. Übrigens, die meisten Märchenerzähler der 60. und 70. Jahre leiden unter Verdauungsprobleme oder Leberzirrhose. Ich wollte mit meinem Beitrag sagen, dass die Geschichte purer Idealismus ist. Noch nie haben Idealisten etwas erreicht, und die Erfahrungen zeigen, dass Idealisten nur heiße Luft blasen, mehr nicht, denn wenn es um die „Wurscht“ geht, dann zeigen sie sich als die Verdorbentesten unter den Verdorbenen. Man sollte schon ein Minimum an Realismus behalten, vor allem wenn man ein bestimmtes Alter erreicht hat.
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Re: Das hat mich berührt
#69793
18/11/03 10:21 AM
18/11/03 10:21 AM
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Keela
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Salam Khira, genauso habe ich diese Geschichte auch verstanden Salam Alli, Mensch Alli, auf welchen Wegen wandelst du denn im Moment? Soviel Resignation und unter allen Umständen mit den Füßen auf dem Boden bleiben, nur nicht träumen.......so mein Eindruck. Jou, die Geschichte ist purer Idealismus, seh ich auch so. Aber: was soll´s, warum nicht? Für mich zeigt es die Richtung an in die ich mich weiterhin entwickeln möchte. Wenn ich ausschließlich die Realitäten sehen würde hätte ich das Gefühl den Kopf für ein freies Denken zuzumachen und die Augen für neue, noch nicht ausgelatschte Wege zu verschließen. In diesem Sinne gleich noch ne Geschichte........ „Was weiß der Frosch von der Weite des Meeres??“ Gibt es ein Leben nach der Geburt? Ein ungeborenes Zwillingspärchen unterhält sich im Bauch seiner Mutter. "Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?" fragt der eine Zwilling. "Ja auf jeden Fall! Hier drinnen wachsen wir und werden stark für das was draußen kommen wird." antwortet der andere Zwilling. "Ich glaube, das ist Blödsinn!" sagt der erste. "Es kann kein Leben nach der Geburt geben - wie sollte das denn bitteschön aussehen?" "So ganz genau weiß ich das auch nicht. Aber es wird sicher viel heller als hier sein. Und vielleicht werden wir herumlaufen und mit dem Mund essen?" "So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört! Mit dem Mund essen, was für eine verrückte Idee. Es gibt doch die Nabelschnur, die uns ernährt. Und wie willst du herumlaufen? Dafür ist die Nabelschnur viel zu kurz." "Doch, es geht ganz bestimmt. Es wird eben alles nur ein bisschen anders." "Du spinnst! Es ist noch nie einer zurückgekommen von 'nach der Geburt'. Mit der Geburt ist das Leben zu Ende. Punktum." "Ich gebe ja zu, dass keiner weiß, wie das Leben nach der Geburt aussehen wird. Aber ich weiß, dass wir dann unsere Mutter sehen werden und sie wird für uns sorgen." "Mutter??? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter? Wo ist sie denn bitte?" "Na hier - überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein!" "Quatsch! Von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt, also gibt es sie auch nicht." "Doch, manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt...." In diesem Sinne alles Liebe Keela
Ich bin nicht dumm, ich hab' nur voll so Pech beim Denken...
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Re: Das hat mich berührt
#69794
18/11/03 05:16 PM
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Helias
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Ein Mythos ist:
„Prometheus, der Sohn zweier Titanen (Iapetos und Klymene) knetete aus Lehm und Wasser die ersten Menschen. Später sorgte er auch für die Menschheit. Er überredete Zeus, Knochen als Essen zu akzeptieren, während er den Menschen das Fleisch zudachte. Er stahl Hephaistos das Feuer und zeigte den Menschen, wie sie es für Metallarbeiten nutzen können. Voll Zorn kettete Zeus Prometheus an einen Felsen im Kaukasus und sandte einen Adler, welcher ihm täglich die Leber aus seinem Körper hackte. Diese Qual sollte nie enden, denn die Leber wuchs stets nach. Prometheus wurde jedoch von Herakles (Herkules) befreit.“ (...und die meisten Märchenerzähler der 60er, 70er Jahre leiden an Leberzirrhose.) Ein Märchen ist:
„...Doch der Junge bleibt nur stehen - er reckt seinen Arm empor und dann geschieht, was nie zuvor und nie danach einem Nomaden geschah: Der Adler gleitet hinab und lösst sich behutsam auf dem Arm des Kindes nieder...“
Eine Geschichte wäre:
„...Der Junge steigt auf einen Hügel in der Nähe des Dorfes und streckt den Arm aus. Kaum hat er ihn ausgestreckt, landet darauf – ein Adler!!! Durch die Wucht des Aufpralls bei der Landung des Raubvogels wird der Junge umgeworfen, schlägt mit dem Hinterkopf am Boden auf und erleidet eine Gehirnerschütterung. Ein in der Nähe befindlicher Hirte eilt herbei, verscheucht das Tier u. trägt den Jungen ins Dorf, wo es nicht nur anscheinend keine Wasserleitungen in den Häusern, sondern auch keine Teerstraßen gibt. Der Junge wird auf den Rücken eines Maultiers verladen und so zur einenhalb Tagesmärsche entfernten Krankenstation gebracht, wo er halb tot anlangt, seine Wunden, insbesonders die ziemlich tiefen Löcher in seinem Arm, aber so weit versorgt können, dass der Arm dann wieder zum Wassereimertragen taugt. Über etwaige Nachwirkungen der Gehirnerschütterung wissen die Dorfbewohner nichts zu berichten... Jahre später: Ein Mann mit Narben am Arm gründet in seinem Dorf eine Vereinigung, die sich dafür einsetzt, die zuständigen Regierungstellen zum Bau einer bis zu der Ansiedlung führenden Straße zu veranlassen, sowie Geld für die Anschaffung eines Krankenwagens aufzutreiben. Außerdem organisiert er den Bau einer Wasserleitung, um denjenigen Dorfbewohnern, die traditionellerweise die Wassereimer zu schleppen haben – nämlich den Frauen – das Leben ein wenig leichter zu machen...“
Die drei Beispiele haben außer dem Adler noch eins gemeinsam: In der „Realität“ haben sie niemals stattgefunden.
Haben „Idealismus“ oder „Realismus“ irgendwas mit der Qualität von Erzählungen zu tun?
@Alli:
...aber vielleicht mit den Qualitäten einiger dir persönlich bekannter Personen, deren nähere Bekanntschaft zu machen kein Vergnügen gewesen sein dürfte. Ich persönlich kenn ein paar Leute, die keine „Idealisten“ in dem von dir beschriebenen Sinn sind u. die trotzdem Ideale haben, u. an diese Leute halte ich mich, wenn´s um die „Wurscht“ geht... Kennst du auch welche?
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Re: Das hat mich berührt
#69798
19/11/03 10:19 AM
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Keela
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Mich berührt .......... z.B. jetzt gerade die Frage woher diese große Wut wohl kommen mag...... Tja, siehste Alli, ich bin schon ne ganz Merkwürdige LG Keela
Ich bin nicht dumm, ich hab' nur voll so Pech beim Denken...
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Re: Das hat mich berührt
#69799
22/11/03 09:51 PM
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Helias
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@Alli Deinen Interventionen hier in diesem thread habe ich es zu verdanken, als Forumsneuling binnen bemerkenswert kurzer Zeit schon einige für mich bedeutsame Erkenntnisse gewonnen zu haben. Die Lichtlein, die mir aufgegangen sind, im Detail zu schildern erübrigt sich, denn das Meiste davon ist, wie ich gesehen habe, ohnehin unter „Forum zum Forum“ nachzulesen, u. zwar in dem „Das sollte jeder lesen, der Beiträge schreibt“ betitelten Posting von Dolphin v. 17.10.2002. – Eigentlich liebe ich die Langsamkeit. Ich liebe es, Briefe zu schreiben. Ich liebe es, nichts zu tun, als zu atmen und auf meinen Herzschlag oder den eines anderen Menschen zu hören... Ich hab sehr über mich gelacht!
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Re: Das hat mich berührt
#69800
22/11/03 10:53 PM
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Mariah
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Keela DAS war eine rührende Geschichte! Dafür DANKE!
Leben und leben lassen!
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Re: Das hat mich berührt
#69801
22/11/03 11:05 PM
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Siri
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Hallo Helias, besten Dank, dass du auf Dolphins Beitrag verwiesen hast. Ich hatte ihn noch nicht gelesen, da ich nicht so regelmäßig alles lese und damals noch nicht dabei war. Ich finde ihn aber sehr interessant und vor allem absolut zutreffend. Herzlichst Siri PS: Für alle, die es auch nachlesen wollen: http://www.marokko-online.net/cgi-bin/forum6500/ultimatebb.cgi?ubb=get_topic;f=9;t=000071;p=&r=nfx
Es ist schon alles gesagt! Nur noch nicht von allen. (Karl Valentin)
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Re: Das hat mich berührt
#69802
23/11/03 07:58 PM
23/11/03 07:58 PM
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Helias
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@Keela ...und eine bewegende Geschichte, jedenfalls für mich, denn sie hat mich dazu bewogen, mal wieder ein bisschen darüber nachzudenken, in welche Richtung ich mich weiterentwickeln möchte (u. in welche nicht)! Danke u. Bussi aufs (Mutter-)Bauchi! @Siri Tja, und dann gibt´s eben auch die andere Seite dieses Forums: Eine Fundgrube für Informationen, nicht nur Marokko betreffend... Mein Problem ist, dass ich bislang wohl etwas zu häufig bei den "Beiträgen der letzten 24h" hängengeblieben bin - aber das ist eine ganz andere Geschichte.
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Die Macht des Vertrauens
[Re: Keela]
#159832
07/10/15 09:37 PM
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Shakir.
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Die Macht des Vertrauens
Chaso ist neun Jahre alt - und heute soll er aufgenommen werden in den Kreis der Männer. "Taufe des Windes" nennen die Kasachen dieses Ritual, die erste Zähmung des Adlers zur Jagd - und Chaso muß es bestehen. Als das Adlerweibchen in die Falle stößt, weiß der Junge, er muß ihr die Beine fesseln, sie ins Lager bringen. Doch Etwas in den Schreien des Tieres lässt ihn innehalten. Ohne zu überlegen, öffnet er das Netz, schenkt dem Adler die Freiheit und kehrt hinab. "Selbst deine Schwestern sind mutiger", schimpft sein Vater. Als einziger Halbwüchsiger muss Chaso an diesem Abend im Lager verweilen, während die Männerjagen und so, das Gesicht rot vor Scham, macht sich der Junge auf, um Wasser zu holen. Er weiß nicht, dass zwei Adleraugen seinem Weg folgen - und die Schreie der Kinder hört er erst als ein furchterregendes Wesen auf ihn hinabstürzt: "Es ist ein Adler", rufen die Frauen. "Es wird Chaso töten!" Doch der Junge bleibt nur stehen - er reckt seinen Arm empor und dann geschieht, was nie zuvor und nie danach einem Nomaden geschah: Der Adler gleitet hinab und löst sich behutsam auf dem Arm des Kindes nieder...
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