Der hier im Forum bei vielen ausreichend bekannte Rolf-Dieter Venzlaff
ist vor der Veröffentlichung seines letzten Buches gestorben.
Das berichtet Birgit Ringlein, Mitglied der Verlagsgruppe Husum.



Hier, ganz unten im Text
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Blog von Rolf-Dieter Venzlaff

Mein Beileid...
Rolf war schon eine, sagen wir, schillernde Persönlichkeit.
Ich hoffe, dass es ihm dort wo er jetzt ist, gut geht.

Toten soll man ja nichts Böses nachsagen, aber wer Rolf hier richtig erleben durfte, dem fällt dies nicht gerade leicht!

Ich bitte alle hier um Verständnis, daß ich nicht in Tränen ausbreche!

Genau aus diesem Grund habe ich es mit keinem Wort kommentiert!
Es war mir aber eine Meldung wert ...

Wie bekannt wurde ist R.-D. Venzlaff im
August an einer Lungenkrankheit gestorben.
Nicht an Aids, um evtl. Gerüchten vorzubeugen.
So wird aus seinem Bekanntenkreis berichtet.

Das satirische Marokko-Forum

Daß die alte Garde hier im Marokko-Forum abgedankt hat, ist auch dem "Satirischen Marokko-Forum" von Rolf-Dieter Venzlaff zu verdanken, dem ich seinerzeit als "Bea" fleissig Beiträge geliefert habe nachdem ich hier im Forum gesperrt worden war. Rolf hat seinerzeit so ziemlich jeden "aufgefangen", der hier einen vor den Latz geknallt bekommen hatte und nicht nur ich habe mich von ihm auch gerne auffangen lassen:

viele seiner Geschichten hatten einen ganz eigenen (sanften) Charme, kamen vorsichtig tastend, fast schon schüchtern daher und waren von kongenialen Foto's aus seinen Reisen in Marokko begleitet, die ich noch heute gerne besitzen würde (und Rolf oft gebeten habe, sie mir zu schicken - was er jedoch nie getan hat). Auf seiner Suche nach Freunden konnte er wunderbar einfühlsame Briefe schreiben, sich stundenlang einem Thema widmen und dann hat auch oft das Telefon geklingelt und seine erstaunte Stimme konnte sich über endlosen Klatsch erschöpfen, dem er nie müde wurde, noch eine und noch eine Facette hinzuzufügen: das ist das Markenzeichen vieler Schwuler und dafür haben wir sie ja auch als Infobörsen ge- und benutzt.

München ist in diesem Sinne seit den 80er Jahren nicht mehr das München, das es war: nachtlebig, frivol, ausgelassen und großzügig - das neue München mit seinen Business-Paaren und den kinderlosen Innenstädten ist (auch) ein Ergebnis der langen Todesspur, die Aids gerade hier in die Stadt- und Szeneviertel geschlagen hat und zu der von allen so sehr vermissten Schwulen- und Künstler-Generation gehörte auch Rolf: Rolf der Überlebende - wider besseres Wissen hat er das "Leichen pflastern seinen Weg" heil überstanden (und nein, er hatte kein Aids).

Einer der ganz Wenigen.

Wenn man auf diese Weise übrig geblieben ist, keine Familie hat und auch keine Aussicht auf ein Altern in Zweisamkeit, Liebe und Zugehörigkeit - dann wird man (wenn man eine Frau ist) bösartig und verbeisst sich am schnellsten und nachhaltigsten in das, was man am meisten liebt. Ich weiß, daß Rolf Marokko geliebt hat: all seine Haßtiraden waren nur die Kehrseite des Mondes, dessen bessere Hälfte man auch sehen konnte, wenn man seine Geschichten aufmerksam studiert hat. Ich habe ihm in dieser Hinsicht Übermenschliches abverlangt, weil ich die Abenteuer gewagt habe, die ich nach seinen Kassandrarufen niemals hätte eingehen dürfen und die er sich innigst gewünscht hätte, daß sie für ihn in Erfüllung gegangen wären.

Bewusste Grausamkeit mag verabscheuenswert sein, aber meine Naivität war es nicht minder: wie konnte ich ihm all diese Briefe schreiben, wenn es ihn dabei doch zerreissen musste?

Und wie konnte ich glauben, daß er länger als es ihm möglich war die Luft anhalten könnte (er ist weit darüber hinaus gegangen), nur weil er endlich einen Freund gefunden hatte und diesem seine hässliche Seite, seine Abhängigkeit, sein Nichtweiterwissen, seine gänzliche Verlorenheit nicht gestehen konnte und endlich, endlich wieder zurück wollte zu seiner Sucht, seinem Reflex, seiner einzigen Sicherheit: wie, wenn es möglich gewesen wäre - ein ganz anderes, ein inniges, verbundenes, nicht einsames, nicht abgetrenntes Leben, eines in Freundschaft und in Liebe?

Der Verrat zersetzt mit Hilfe des Verstandes die Logik des Herzens und wenn man sich abwendet, dann ist dem Tiger gleich, ob man Hase, Nilpferd, Mensch oder Antilope ist: er setzt zum Sprung an, greift in den Nacken und lässt es krachen. Das war die Kehrseite vom sanften Rolf: auch ein Tiger hat Depressionen und weiß nicht mehr weiter, zuerst aber folgt er seinem Instinkt. Rolf hat andere Menschen benützt und verraten und er hat es in jeder Sekunde, die er noch am Leben war (und jetzt hört und sieht er uns zu - befreit und voller warmem Humor) gewußt und gleichzeitig bedauert. Er wollte dieser Mensch nicht sein: so wie wir alle nur dieser eine (gute) Mensch sein wollen und es nicht sind und wenn die Zeit gekommen ist auch keine Prüfung bestehen. Woher wollen wir wissen, wie hoch der Preis wirklich war, den er bezahlt hat?

Rolf war in diesem Sinne mit Vorsicht zu geniessen und ich gestehe: ich wusste es spätestens nach einer ausführlichen Recherche im Marokko-Forum mit wem ich es zu tun hatte und habe mich trotzdem auf ihn eingelassen und ihn ein weites Stück seines Weges begleitet. Ich war mir immer sicher, daß meine Zeit auch kommen würde und sie kam dann ja auch wie das Amen in der Kirche und ganz zum Schluß seine mail vom letzten Jahr:

ich habe Krebs. Ich bin Haskamp und mir geht es sehr schlecht. Ich habe seit zwei Jahren nicht mehr auf seinen Blog geschaut und habe stattdessen Najib als Gradmesser für den Fortschritt bzw. das Ende seiner Krankheit genommen: daran konnte ich erkennen, wann er gestorben sein musste - jetzt weiß ich es jedoch das erstemal mit Bestimmtheit und es macht mich (natürlich) auch traurig.

Jeder wird hier mitbekommen haben, daß ich ihm eine harsche Antwort geschickt habe auf seine Selbstbemitleidungsmail (er hat mir angekündigt sie zu veröffentlichen, was er wohl ohne Zweifel dann auch getan haben dürfte): es waren nie die anderen, denen man Mitleid zollen durfte, jeder - auch der mit dem schwersten Schicksal - hat seine eifersüchtigen Kommentare auf sich gezogen, da war er ganz kleines Kind - nur seine Leiden haben gezählt, nur sein Kummer war schwer, nur seine Krankheit zum Tode.

Neun Monate hat er noch gelebt: neun Monate sind eine Geburt und meine Erfahrungen mit dem Sterben sind die von Hebammenarbeit und von Geburtsvorgang. Man wird unaufhaltsam nach vorne geschoben, egal was sich dort am Ausgang ereignet, es geht dorthin ohne wenn und aber und irgendwann sehnt man das Ende herbei. Davor aber kämpft das Leben seinen Kampf und lässt nichts und niemanden los: ich sehe Rolf in seiner besten Form, losgelöst von seinen Schmerzen und von seinen Obsessionen, nur der herumgeschubste Übersensible, der allen so auf die Nerven geht, daß sie das am meisten Befürchtete endlich (endlich!) aussprechen:

"hau endlich ab, verschwinde und zwar für immer. Keiner wird Dir nachweinen".

Doch ich werde Dir nachweinen: das bin ich Dir schuldig und ich hoffe sehr, daß Du Frieden gefunden hast und daß es nicht zu schwer war und daß jemand da war, der Deine Hand gehalten hat.

Deine

Bea

Moin Josi,

schöngeschriebener und gefühlvoller Nachruf. Gut gemacht!

Gruß von drake

Vielen Dank Josi, Du hast wunderbar geschrieben. Auch ich habe ihn "gekannt" wie viele hier im Forum und auch ich habe mich vor ihm zurückgezogen.
Ich hoffe er hat seinen Frieden gefunden.
Gruss
silla