hallo,

ich habe einige reaktionen verpasst, sorry.

ich denke, man muss das thema - wie immer und immer zu unterstreichen ist - differenzierter sehen.

- wenn ich "tendentiell" etwa sage, meine ich, dass die heutigen und künftigen generationen mit polygamie nichts am hut haben. mit anderen worten polygamie ist ein geerbter ballast, den die gesellschaft sich mit der zeit, rasch, entledigt.

- die 900 fälle, sind zwar für eine gesellschaft ganz ohne polygamie enorm, bleiben, wenn man das ganze land betrachtet, eine extrem geringe zahl.

- diese fälle müssen auch bereinigt werden, denn es gibt zwei (qualitative) formen von polygamie: 1/ polygamie der polygamie/heiratswillen und 2/ polygamie als lösungsweg und alternative zu problematischen situation, wie etwa das vermeiden von scheidungen, zumal wenn sie die form einer offensichtlichen ungerechtigkeit einnehmen (erste frau häufig zu alt und körperlich fragile) und von damit zusammenhängenden tragödien (etwa frau und kinder befinden sich auf der strasse), das beibehalten des sorgerecht für die kinder samt ihrer mutter etc.,

verfährt man so mit dem thema weiter, erscheint es unter einem anderen licht, und die fälle von polygamie, die man aus einem modernen blickpunkt nicht tolerieren kann, bleiben in der tat vereinzelt.

man tut es in der regel nicht, denn selbst die marokkanische presse bedient sich wertschemata und -sprachen, die sie dem westlichen öffentlichen diskurs entnimmt.

viel problematischer, weitreichender und komplexer ist z.b. das erbrecht. aber ich habe das gefühl, dass darüber wenig gestritten wird. warum? weil nur die themen, die simplizismen erlauben wie polygamie und beschneidung von frauen den westlichen diskurs anziehen. sich mit dem erbrecht auseinanderzusetzen aber, das ist arbeit. aber das betrifft alle frauen!

mein lieber schakir, ich grüsse dich auch. vielleicht habe ich zu sehr darauf bestanden, dass du es immer noch in erinnerung hast, aber ich glaube weiterhin, dass religion uns beschreibt, wie wir für sie sein müssen und nicht, wie wir sind. sie täuscht uns eine wirklichkeit vor, wie sie gott für uns definitiv festgeschrieben hat. das ist auch teil unserer wirklichkeit. aber wie wir sind (und nicht wie wir sein sollen, wie es die religion suggeriert), ist unsere totale wirklichkeit, die wir nicht erfassen können und die uns, wie der himmel erscheint, immer derselbe, der sich stets wechselt. das ist die tragik und das ist die leidenschaft, der wirklichkiet.

gruss
jm