@Anton: Es ist wahrlich ein beneidenswertes Auge, das auch großes Glück neidlos sehen kann! Genügsam, selbstlos und vor allem gläubig muss man sein, um ein solches Auge zu besitzen. Mit „gläubig“ meine ich nicht unbedingt religiös im klassischen Sinne, sondern ich meine damit „überzeugt“! Überzeugt von der Sinnlosigkeit des Vergänglichen und von der Beständigkeit des uns Verborgenen, des Unbegreiflichen, denn vielleicht gibt es andere Dimensionen, in denen über unser Los entschieden wird und die uns so ernsthaft und real erscheinende Schicksale, lediglich unbedeutende Kleinrollen sind, in einem ungeheuren Bühnenwerk eines mächtigen Illusionisten. Vielleicht ist dem so, nur unser Auffassungsvermögen ist zu beschränkt und unsere „Sehkraft“ zu gering, um es zu begreifen..

@Sara: du kommst mir aber mit Namen! „Hnia“ und „Bouchta“! Diese Namen existierten eigentlich nicht mehr in meinem Wörterbuch.. Danke dir aber, dass du sie in meinem Gedächtnis wieder auferstehen ließt..

Um zu verstehen, warum man wegen eines Namen so verrückt lachen kann, muss man erstens bestimmte Erfahrungen in bestimmten Regionen Marokkos gemacht haben, und zweitens den Namen mit dem dazugehörigen Typus verbinden. Jetzt kannst du dir also vorstellen, wie ich "misch Kapott lasche“.

Zum Schluss erzähle ich dir eine kleine Anekdote: Als Kind war ich einmal bei einer meiner zahlreichen Tanten, bei Tante „Hnia“ sozusagen, ich muss 5 oder 6 gewesen sein. Es waren auch andere Frauen und Tanten da, die über die Familie, die Nachbarn, ihre Männer und Kinder usw.. quatschten.. Und es hieß z.B. dass die Tochter von Tante Fatma ihr sehr ähnelt, während der Sohn von Tante Sfia seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten zu sein scheint etc Blabla.. Ich hörte still zu und versuchte zu verstehen, worüber die Tanten so plauderten,.. Aber dann stellte ich Tante „Hnia“ (Hnia = die Sorgenlose) eine unschuldige Kinderfrage, die sie in Verlegenheit brachte, ich sagte zu ihr: Warum eigentlich ähneln manchmal Kinder ihrem Vater, obwohl ihre Mutter sie gebärt und nicht der Vater?!

In meinem Alter wusste ich natürlich nicht, dass es so etwas wie Sex gibt. Für mich war die Rolle der Mutter klar: Essen kochen, Brot backen und Kinder gebären, während der Vater die Familie ernährt.

Tante „Hnia“ sagte, während die anderen Frauen ihr heuchlerisch zustimmten: Nun Kindchen, während die Mutter schwanger ist, sieht sie ja jeden Tag das Gesicht des Vaters, immer wieder, und so kommt es, dass das Kind letztendlich die Gesichtzüge seines Vaters bekommt!

Tante „Hnia“ hatte sich also clever aus der Affäre gezogen, denn ich durfte unter keinen Umständen erfahren, dass Männer und Frauen sich „berühren“, deswegen erklärte sie mir das Rätsel mit dem „Photographie-Effekt“, alles sollte aus der Distanz heraus passieren und ja kein Wort von „sich berühren“! Die Scheinheilige!

In meiner unschuldigen Naivität glaubte ich ihr aufs Wort und sagte: Dann schaute sich Tante Fatma sehr oft im Spiegel, denn ihr habt gesagt, dass ihre Tochter wie sie aussieht..