Danke Siri, für Dein "Mit-Erleben", danke Abid, für den freundlich gestimmten Link.

Das kam neulich in einer Diskussion auf: Frage: "Wir haben ca. 3 Mio Muslime in der BRD, bei einer Gesamteinwohnerzahl von ca. 80 Mio. Warum wird um 3 Mio Menschen (bei 80 Mio eine relativ gerine Zahl) plötzlich soviel Aufhebens gemacht ? Mit dem 11. September haben diese Muslime doch nichts zu tun ? "

These: Vielleicht reagieren viele Politiker momentan panisch oder übermäßig streng, weil sie sich nachsagen lassen müssen, daß sie zum Thema Integration jahrzehntelang entweder zuviel Toleranz an den Tag gelegt haben oder immer weggeschaut haben (in der Hoffnung, die Probleme lösen sich von selbst.)

Auch ich mag in diesem Forum in meinen Beiträgen teilweise streng wirken, wenn es um den Islam geht. Aber wer mich kennt, weiß: Ich setze mich seit über 20 Jahren für Ausländer und Andersgläubige ein: Beruflich, privat, politisch. In den jugendlichen Anfängen aus Ethos und als Gegenbewegung auf die Politik der Zeit meiner Großeltern zur Zeit des Nationalsozialismus - damals noch wie viele andere - ohne einen Ausländer überhaupt näher zu kennen.
Später ergänzten persönliche Begegnungen, Freundschaften, Kontakte mein Bild. Dazu kamen Erfahrungen durch Auslandsreisen und durch die mittlerweile fast 20 Jahre dauernde Ehe mit meinem Mann, der selber einen bunten, multikulturellen Hintergrund hat und den Großteil seiner Kindheit in einem muslimischen Land, in dem bis vor kurzem noch die Taliban regierten, verbracht hat. Seitdem wir es uns wohnungsmäßig einrichten können, nehmen wir immer wieder ausländische Studenten bei uns auf, zum Teil auch Marokkaner. Ich weiß, daß auf westlicher Seite viel Unkenntnis über den Islam besteht und setze mich im Gespräch mit Christen usw. für diese Religion ein, so weit es in meiner Kenntnis und meiner Macht steht. Dabei halfen mir meine eigenen Erfahrungen, aber auch Literatur und Teile des Korans habe ich gelesen.

Meine Toleranz aber endet dort (und heute schneller als früher - das gebe ich zu), wo ich spüre, daß von Seiten eines Gegenübers mir diese Toleranz und der Respekt nicht entgegengebracht wird.

Rückblickend - auf über 20 Jahre Erfahrung mit Ausländern und/oder Menschen verschiedener Religionen - muß ich sagen, daß das Zusammenleben und -arbeiten immer unproblematisch ist, soweit sich bildungsmäßig/intellektuell/interessensmäßig eine sympathiegetragene Wellenlänge ergibt. Die religiösen Themen treten dann in den Hintergrund. Wenn ich unseren Bekannten- und Freundeskreis überfliege und versuche, ihn religiös einzuordnen, dann stoße ich auf Christen (Evangelische, Katholiken, Baptisten, aus Europa, USA, Thailand, Haiti), Muslime (aus Türkei, Marokko, Tunesien, Algerien, Indien), Hindus (aus Indien), Sikhs (aus Indien), Buddhisten und Shintoisten (aus Japan). Nun, wenn jeder versuchen würde, den anderen von seiner "reinen Wahrheit" zu überzeugen oder aus seiner Religion Vorrechte abzuleiten, das ergäbe ein heilloses Durcheinander.

Mir ist der Mensch, seine Werte und sein Verhalten, das ich konkret erleben kann, am wichtigsten. Gruß,

Ulla