hier eine erste würdigung der lebensarbeit von annemarie schimmel, veröffentlicht von der deutschen presse-agentur:

(dpa)Die Islamwissenschaftlerin und Trägerin des Friedenspreises
des Deutschen Buchhandels, Annemarie Schimmel, ist tot. Sie starb
am späten Sonntagabend im Alter von 80 Jahren in einer Bonner
Klinik, wie die Universität Bonn am Dienstag bestätigte. Die
Beerdigung Schimmels ist für den 4. Februar in Bonn vorgesehen.
Die auch in der islamischen Welt sehr geschätzte Wissenschaftlerin war nicht
unumstritten. Wegen negativer Äußerungen über den Schriftsteller Salman
Rushdie wurde sie im Westen sehr kritisiert.

Schimmel lebte zuletzt im Ruhestand in Bonn, wo sie am Orientalischen Seminar
auch zuletzt gelehrt hatte. Nach einem Sturz mit Wirbelverletzungen musste sie
Anfang des Jahres in eine Klinik und operiert werden. Dabei kam es zu
Komplikationen. Schimmel war evangelisch. Entgegen anders lautenden
Spekulationen sei sie nicht zum Islam übergetreten, hieß es aus dem
Orientalischen Seminar.

Die am 7. April 1922 in Erfurt geborene Wissenschaftlerin lehrte unter anderem in
Ankara, Bonn, Harvard, New York und London. Die Spezialistin für islamische
Mystik sprach unter anderem Arabisch und Persisch. Sie veröffentlichte viele
Bücher und zahlreiche Beiträge zur islamischen Kultur. Viele ihrer Arbeiten
wurden auch in Arabisch, Englisch und Türkisch veröffentlicht. Für ihr Werk
erhielt sie mehrere Auszeichnungen. Mit Schimmel habe der Verlag eine der
«wichtigsten Autorinnen» verloren, sagte Herder-Cheflektor Rudolf Walter. Sie
habe immer den Dialog zwischen den Kulturen gesucht und sei eine
«Wegbereiterin für ein vertieftes Verständnis islamischer Kultur» gewesen.

Von Muslimen erhielt Schimmel viel Anerkennung für ihr tiefes Verständnis und
die Vermittlung des Islam. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland, dessen
Ehren- und Beiratsmitglied Schimmel war, erklärte in einer Würdigung, sie habe
«Brücken zwischen der Welt des Islam und der westlichen Welt geschlagen».
Viele Regierungen hätten auf ihr Werk und ihre Vorschläge zurückgegriffen,
sagte der Vorsitzende des Zentralrats, Nadeem Elyas, der dpa. «Sie konnte mit
der Feder des Westens schreiben, so dass die westliche Welt einen direkten
Zugang zu der islamischen Welt hat», meinte er.

Orientalisten in Pakistan, wo die Wissenschaftlerin lange Zeit lebte, würdigten
ihre Verdienste. «Ihr Tod ist ein großer Verlust für die Gelehrten. Sie wurde nicht
nur von Sterblichen, sondern auch von Gott selbst geliebt», sagte Prof. Khwaja
Masud, der das Gordon College in Rawalpindi leitet, wo Schimmel häufig
Vorträge hielt. Die Wissenschaftlerin war in Pakistan für ihre profunde Kenntnis
nicht nur des Islam, sondern auch der Dichtung und der Kultur des Landes
bekannt. In der Stadt Lahore ist auch eine Straße nach ihr benannt.

Schimmel bekam im Mai 1995 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels
den Friedenspreis für ihr Lebenswerk zuerkannt. Damit sollte ein Zeichen für
Toleranz gesetzt werden. Die Entscheidung wurde zunächst allgemein begrüßt,
dann aber geriet Schimmel wegen eines Interviews ins Kreuzfeuer öffentlicher
Kritik. Sie warf dem Schriftsteller Salman Rushdie vor, über den Irans
Revolutionsführer Ayatollah Khomeini 1988 ein Todesurteil verhängt hatte, mit
seinem Roman «Die satanischen Verse» auf eine «sehr üble Art die Gefühle
einer großen Menge von Gläubigen» verletzt zu haben. Später entschuldigte sich
Schimmel und betonte, sie sei keine Fundamentalistin und unpolitisch im Sinne der
Tagespolitik.