Hallo teira00,

Original geschrieben von: teira00
Würde gern hierzu auch mal einen ganz persönlichen Kommentar abgeben - der nicht die Meinung anderer treffen aber zumindest als eigene Meinung respektiert werden sollte:


Wir diskutieren doch - warum also Samthandschuhe anpacken und warum so ängstlich? Ein rauer Ton ist oft dienlich für eine Diskussion. Wir müssen in diesem Forum aufhören, ständig persönlich verletzt zu sein. Niemand kann dir deine Meinung nehmen. Ob er sie respektiert oder nicht respektiert, kann dir so ziemlich egal sein. Ist es dir nicht, musst du das mit dir selbst klären. Dann solltest du deine Ansichten einem Update zuführen. Es sind nicht die kleinen Nadelstiche auf die man sein Augenmerk richten sollte, sondern auf die Argumentation der Gegenseite - dann ist man auch nicht verletzt. Oft sind sie bereichernd. Nadelstiche sind nur Schmuckwerk - oft hässlicher, aber eben Schmuck. Lappalien. Oder was auch immer. Aber kein Grund, gekränkt zu sein.

Original geschrieben von: teira00
Natürlich könnte ich mich auf meinen marokkanischen Mann verlassen und ihn alles hin und her übersetzen lassen, doch dann wäre ich doch sehr abhängig von ihm bzw. müsste ihn für jede Kleinigkeit belästigen - Selbstständigkeit ist doch wichtig. Oder soll er mich sogar zum Bäcker oder auf den Markt begleiten?


Du kannst auch ohne Dolmetscher zum Bäcker oder auf den Markt - gesunde Finger hast du ja inshallah.

Liebe teira00,

das ist es doch gar nicht, was mir ein Dorn im Auge ist. Ich bin auch dafür, dass man die Sprache seines Gastlandes erlernt. Das ist sehr wichtig, wie ich bereits in meinem ersten Beitrag geschrieben habe:

Original geschrieben von: Shakir
Die Verwendung der deutschen Sprache als gemeinsame Basis kann helfen, Barrieren zu beseitigen - sie ist wohl Grundvoraussetzung für eine nachhaltige, intensivere Annäherung von Menschen unterschiedlicher Kultur, weil sie erst (verbale) Kommunikation mit einem für beide Seiten zufriedenstellenden Ergebnis ermöglicht (...)


Aber die Verwendung der deutschen Sprache ist nicht der Schlüssel zur Integration - was auch immer Integration sein soll. Weder aus der Sicht des Ausländers - noch aus der Sicht des Deutschen.

Der Durchschnittsdeutsche will, dass du mit ihm Alkohol säufst, dass du einen Weihnachtsbaum im Wohnzimmer stehen hast: sprich, dass du so lebst, wie er lebt. Das ist für ihn gelungene Integration. Als Ausländer musst dich für ihn aufgeben, deine Wurzeln verraten - nur dann wirst du geduldet. Du bist dann Ausländer mit Integrationsbonus. Immerhin.

Auf der anderen Seite kann der Durchschnittsausländer noch so gut Deutsch sprechen - so lange er dem Deutschen keine Chance gibt, ihn kennen zu lernen, ihn zu mögen, er lieber in seiner Parallelgesellschaft leben möchte, so lange kann man nicht von Annäherung sprechen.

Wie soll einer gemeinsamen Sprache eine Schlüsselrolle zukommen, wenn sie nicht zur Kommunikation genutzt wird? Das ist die Seifenblase, die ich zum platzen bringen will. Die Probleme liegen tiefer - viel tiefer.

Einer muss aber den ersten Schritt machen. Aktuell sieht es so aus:

Deutscher: "Ausländer wollen sich nicht integrieren."
Ausländer: "Deutsche sind rassistisch."

Wer durchbricht diese Spirale? Integration - oder das was man Integration nennen möchte, ist ein fortlaufender, langwieriger Prozess der Annäherung - vielleicht auch der Versöhnung. Eine Frage von Vertrauen oder besser: Abbau von Misstrauen.

Es wird ständig davon gesprochen, dass Ausländer die deutsche Sprache lernen müssen. Was aber ist denn der Gradmesser für anständiges Deutsch? Muss die Grammatik stimmen, muss der Vietnamese sich eine neue Zunge kaufen damit er aus dem R nicht ein L macht? Und vor allem: Darf der Ausländer besser deutsch können als der gebürtige Deutsche?

Wer als Ausländer die deutsche Sprache besser beherrscht als der Deutsche, der wird bewundert, der wird gelobt, aber es wird ihm auch geneidet und er wird als Bedrohung gesehen. Ja - manche sagen deshalb: "Du bist ja auch Deutscher." Aber sie meinen es dann wiederum auch nicht so. Viele Aussagen widersprechen sich. Im Grunde genommen wünschen sie sich nur, dass der da gegenüber, der so gut Deutsch kann, einer von ihnen wird - also mittrinkt, seinen Islam verrät. Frei nach dem Prinzip: Mache deinen "Feind" zum "Freund".

Oder ein ähnlich gelagerter Fall: Das Özil-Phänomen. Das Paradebeispiel für gelungene Integration - nur bei der Sprache hapert es. So lange er genug Torvorlagen gibt, sei es ihm verziehen.

Auch ist ein Lob nicht immer wirklich ein Lob. Wie oft höre ich von Deutschen das Lob: "Du kannst ja aber gut Deutsch." Das ist sowas von herablassend, dass mir gar nichts übrig bleibt, als mich artig zu bedanken. Schließlich will man dieses Lob nicht direkt in der Luft zerreißen. Das ist ein Zeichen für fehlende Auseinandersetzung der Deutschen mit ihren Mitbürgern ausländischer Herkunft. Haben Sie denn wirklich nicht mitbekommen, dass die Gastarbeiterkinder auch zur Schule gegangen sind? Wieso sollten sie denn nicht gut deutsch sprechen können? Ich habe schon irgendwann mal gekontert: "Du aber auch." Aber muss ICH den Menschen erklären, warum sie gerade herablassend agieren? Muss ich ihnen die Frage stellen, ob sie sich denn besser fühlen, aufgewerteter fühlen, wenn sie mich von oben herab schlechtloben.

Original geschrieben von: teira00
SPRACHE IST nur WICHTIG, WENN MAN sich in einer Gesellschaft integrieren möchte, aber SICH NICHT ISOLIEREN MÖCHTE.


Verstehe ich nicht. Fehlt da ein "nicht"?

Antwort auf:
3.
Ob die Sprache ein Zeichen von Respekt gegenüber dem Gastland ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Aber es gibt Dinge die ich nicht aus Respekt lerne sondern um kommunizieren zu können. Zumindest wird man nicht viel über die Menschen und die deutsche Kultur kennenlernen ohne die Sprache zu können. (Außer Jemand sagt, das ist mir egal - aber warum ist man dann in Deutschland?).


Meine Mutter ist meinem Vater gefolgt. Er ist ausgewandert, um in Deutschland einer Arbeit nachzugehen. Meine Mutter ist ihm dann gefolgt. Sie wollten den Wohlstand, den ihr hattet. Ist das etwa verwerflich? Ist es verwerflich, sich nicht für die deutsche Kultur zu interessieren? Muss ich Interesse heucheln? Umgibst du dich mit Menschen in deren Anwesenheit du dich nicht wohl fühlst? Warum dürfen sich Ausländer nicht ausgrenzen - so wie es Deutsche auch dürfen? Meine Eltern sind nicht nach Deutschland gezogen, weil sie ein Abenteuer wollten oder gar um eine neue Kultur kennen zu lernen - sie wollten die Zukunft ihrer Kinder sichern. Das muss man ja wohl offen aussprechen dürfen.

Ansonsten stimmst du ja mit mir überein - du beschreibst ja auch die egoistisch motivierten Gründe, um eine Sprache zu erlernen. Was die Sitten des Landes anbelangt, hat man die doch sehr schnell raus. Menschen lernen eben aus schmerzlichen Fehler. Es ist ja nicht so, als würde man beim Treten in Fettnäpfchen geknuddelt werden.

Antwort auf:
Mein Mann und ich haben viele Freunde aus sehr unterschiedlichen Kulturen, Religionen und mit verschiedenen Sprachen - wenn wir uns nicht auf eine Sprache einigen würden, wäre die Kommunikations sehr einseitig. Oder im Fall wie bei der "Mama" beschrieben, müsste jeder seinen persönlichen Dolmetscher mitbringen. Grins - tolle Vorstellung. Für uns ist es eine Bereicherung soviel verschiedene Sprachen zu hören, mit versch. Religionen (vom Christen über Muslime bis Hindus etc. - smile, was Esseneinladungen wirklich spannend machen kann und meist vegetarisch endet- kein Schwein, kein Rind (Hindu) und manche eben auch kein Geflügel) und Kulturen konfrontiert zu werden.
Wir haben im Bekannten- und Freundeskreis viele Mischehen - nicht nur mit deutschem Partner. D.h. Kompromisse innerhalb der Beziehungen und dann noch innerhalb des Bekannten- und Freundeskreis und doch immer wieder auf einen Nenner kommen - das nenne ich erfolgreiche Migration


Ich auch. smile Ich hatte dich oben eigentlich gefragt: Was ist für dich Integration? Die Frage habe ich nach diesem Absatz wieder herausgenommen.

Antwort auf:
Ehrlich gesagt, hier in unserer Stadt sehe ich oft, dass es türkische, polnische, russische etc. Veranstaltungen, jedoch sind diese dann meist unter sich. Dabei könnten wir doch alle voneinander lernen.


Geh doch einfach auf sie zu. Auch du darfst den ersten Schritt machen.

Antwort auf:
Heißt das, damit ich auch meinen Respekt für die Mitbürger in unserem Land zeige, muss ich all diese Sprachen lernen - weil diese sie eigentlich ja gar kein Deutsch lernen müssten um sich zu integrieren? (Zumindest nicht die, welche keine Arbeit suchen)


Nein - das heißt, dass du nicht erwarten kannst, dass Ausländer für dich die deutsche Sprachen lernen sollen. Du machst es ja auch nicht für sie. Und Deutschland gehört nicht dir. Es gehört allen Menschen.

Antwort auf:
Zu guter Letzt:
Gott möge alle Menschen die in einem Land leben ohne ein Minimum der Sprache zu können vor einem Notfall bewahren indem sie vielleicht ohne ihren Dolmetscher sind.


Mahnende Worte. Ich kann nicht leugnen, dass dieser Notfall nicht mal eintreten könnte. Der Umkehrschluss, der sich daraus aber ergibt, ist Quark:

"Ich lerne eine Sprache nur deshalb, weil ich Angst habe, dass ich im äußersten Notfall - vom Dolmetscher allein gelassen - nicht kommunizieren kann, was mir fehlt/was mich bedroht." Zukünftig sollte man vielleicht auch die Sprachen der Länder lernen, die man auf der Durchreise abklappert. Aufwand und Nutzen stehen doch nicht im ausgewogenen Verhältnis zueinander.

Um meine Mutter brauchst du dich nicht sorgen - sie ist aktuell in Marokko. Ich jedenfalls tue es trotzdem - trotz der fehlenden Deutschkenntnisse ist die medizinische Versorgung in Deutschland im Notfall beruhigender.

Original geschrieben von: teira00
Deutsch ist wirklich keine leichte Sprache - aber man kann mit ihr soviel Schönes ausdrücken.


Ich liebe die deutsche Sprache.

Gute Nacht