Es ist ja nicht so, dass bei "uns" in Europa, sich die Männer keine Zweitfrauen nehmen. Sie tun das halt nicht offiziell mit einer Eheschließung, aber häufig wissen die Ehefrauen sehr wohl von dieser zweiten Frau, aber sie schweigen oft darüber und sprechen das Thema nicht an, weil sie befürchten, dass sie dann verlassen werden wenn die Sache thematisiert wird.
Ich kenne genug Geschichten von Frauen die über die Geliebte bescheid wissen (besser würde es die Bezeichnung "inoffizielle Zweitfrau" treffen, weil die Männer häufig mit den Frauen nicht nur Affären haben sondern richtige Beziehungen), aber es eben einfach schweigend dulden und für sie mehr oder weniger die "heile Welt" bestehen bleibt, solange ihre Ehemänner sie nicht verlassen. Besonders wo Frauen vom Einkommen und Eigentum ihrer Männer abhängen, ist diese Angst verlassen zu werden groß und deshalb wird es unter anderem halt stillschweigend akzeptiert.
In meiner eigenen Familie hatte ich den Fall, dass die Frau mit ihrem Ehemann keinen GV mehr haben wollte und ihm vorschlug sich eine Geliebte zu suchen. Der Mann tat dies irgendwann dann auch, aber verliebte sich dann in die zweite Frau. Er verließ die Ehefrau, erst da trat dann die Tragödie ein, die Ehefrau wollte das nicht akzeptieren und leidet heute noch nach vielen Jahren unter der Trennung. Für sie war alles in Ordnung solange der Mann die Geliebte hatte, aber bei ihr als Ehemann blieb, erst als er sie verlassen hatte begann das Drama.
Wenn man es aus dieser Perspektive betrachtet, kann es für eine Frau schon auch ein gewisser Schutz sein, wenn der Ehemann sich eine Zweitfrau suchen kann, ohne die erste verlassen zu müssen. Man muss bedenken, dass es für viele Frauen der finanzielle Ruin wäre, wenn sie von ihren Männern verlassen würden.
Das heißt nicht, dass ich damit locker umgehen könnte, ich würde vermutlich sowohl keine inoffizielle als auch keine offizielle Zweitfrau dulden und würde halt von meinem Recht auf Scheidung Gebrauch machen. Aber ich lebe auch in einer finanziell unabhängigen Situation. Versetze ich mich aber in eine Frau um die 50, die ihr Leben lang nie gearbeitet hat und immer zuhause war, es läuft da sexuell gesehen nicht mehr viel mit dem Mann und zusätzlich bin ich noch krank und ich könnte wählen, ob sich mein Mann eine andere Frau sucht, mich verlässt und ich ohne finanzielle Grundlage, krank und runiert, allein gelassen werde oder ob sich mein Mann eine Zweitfrau sucht, ich aber weiterhin versorgt bleibe und keine Existenzängste haben muss, würde ich mich vielleicht für die 2. Variante entscheiden.

Umgekehrt gibt es aber sehrwohl auch genug Fälle wo sich Männer trotz Krankheit oder Kinderlosigkeit keine Zweitfrau suchen. In meiner Schwiegerfamilie gibt es ein paar Frauen, die keine Kinder bekommen konnten und sie baten regelrecht ihre Ehemänner, sich eine Zweitfrau zu suchen, aber die Männer haben das nie gemacht, sie zofften sich richtig mit ihren Frauen weil es ihnen auf die Nerven ging, dass ihre Frauen sie mit diesem Thema nicht in Ruhe ließen und sie sind auch noch im fortgeschrittenen Alter glücklich und zufrieden zu zweit.