Hallo Koschla,

ich kenne eine Familie mit zwei Frauen, die insgesamt 21 Kinder haben (auch mit zwei außerehelichen). Die erste Frau ist jedoch immer die erste Frau geblieben, ihr Status war von der zweiten nicht angetastet: die zweite Frau hat sich eingefügt, hat ebenso viele Kinder bekommen wie die erste, sie haben gemeinsam gekocht und sind gemeinsam verprügelt worden, die Kinder wurden gemeinsam erzogen. Die beiden Frauen hatten jeweils ein eigenes Gehöft mit einem Innenhof und darum herum angeordneten Zimmern und jeweils einen internen Zugang in den Innenhof der anderen Frau.

Der Vater und Mann der beiden Frauen hat in einem Extra-Haus gewohnt, das zu keinem der beiden Gehöfte einen indirekten Zugang hatte, er mußte wie jeder andere Besucher auch über den offiziellen Eingang zu den Frauenhäusern gehen. Was er nicht getan hat, wenn er mit einer der beiden Frauen schlafen wollte: die wurden dann in sein Haus einbestellt und das hat er auch noch im hohen Alter praktiziert, was mit Stolz berichtet wird.

Alle Kinder haben beide Frauen als Mütter angesehen, wobei die erste Frau diejenige war, die das Sagen hatte, später auch von der zweiten Frau gepflegt wurde als sie alt und krank war und nachdem sie gestorben war, kümmern sich auch ihre Kinder jetzt um die hinfällige zweite Frau. Im Laufe der Jahre waren sie mehr zusammen gewachsen als mit dem Vater der Kinder und Ehe-Mann, der wirtschaftlich alle gut versorgt hat, aber gleichzeitig auch sehr gefürchtet war für seinen Jähzorn, seine sittliche Strenge und religiösen Auflagen (als er mit 94 Jahren gestorben ist, hat sich lange Zeit iemand seinem Bett zu nähern gewagt, vor allem nicht seine Töchter).

Diese Kompromißlosigkeit war wohl der Grund, daß die Frauen so zusammen gehalten haben: er war zwei Jahre auf der Pilgerfahrt (nicht Fahrt, er ist zu Fuß von Marokko nach Mekka gelaufen mit einem Freund), was die gesamte Familie heute noch berichtet, wie locker es in dieser Zeit zugegangen ist. Gefragt, warum zwei Frauen und so viele Kinder, bekam ich zur Antwort: "er (der Vater) hatte eben sehr viel Terrain". Punkt. Nachfragen, ob jetzt eine eifersüchtig oder nicht war, sind auf Unverständnis gestossen(wieso? beide waren doch versorgt?).

Bei einem anderen Paar, das ich gut gekannt habe, war lange Zeit nicht klar, warum sie gar keine Kinder bekommen haben: Vater der Frau hat dann beide einbestellt und hat beide getrennt befragt. Seine Tochter war Jungfrau gewesen als er sie verheiratet hat, der Mann hatte schon viele Affären davor, wobei nie eine Frau schwanger geworden war - es wurde gemunkelt, daß er wegen der vielen Affären vor der Heirat unfruchtbar sei (wie? keine Ahnung).

Der Vater (der Tochter) hat dann verlangt, daß beide einen Test machen, wobei herausgekommen ist, daß es tatsächlich der Mann war, der nicht (mehr) zeugungsfähig war. Es wurde dann der Tochter freigestellt, daß sie sich scheiden lassen "darf": was eigentlich undenkbar war in dieser Familie. In diesem Fall aber ihr überlassen wurde, daß sie - wenn sie Kinder haben möchte - sich scheiden lassen und einen anderen Mann heiraten kann. Das hat auch jeder andere in der Familie so gesehen: sie war zu diesem Zeitpunkt eine blühende Schönheit mit Land und es gab genügend Anwärter. Sie hat sich dann für ihren Mann entschieden, ist mit ihm dann aber nach Italien ausgewandert: die gesamte Familie hat sie immer sehr bedauert und hat es als großes Opfer ihrerseits angesehen, daß sie bei ihm geblieben ist. Sie war äußerst großzügig: von dem Geld, das sie in Italien verdient hat, hat sie mehreren Nichten eine Berufsausbildung bezahlt, sie ist immer mit großen Koffern gekommen voller Kleider und sie hat auch viel Schmuck und Geld in der Familie denen zukommen lassen, die sonst weniger gehabt hätten.

So hat sie sich das Andenken und die Lieber derer gesichert, die sie beschenkt hat - nicht unähnlich der eigener Kinder.

Das Grundprinzip in Marokko ist wegen fehlender sozialer Absicherung, daß die Familie als System an erster Stelle steht, das persönliche Glück des einzelnen zurückzustehen hat und jeder einen Beitrag für das Ganze leisten muß: das ist kein anderes Prinzip als unser HartzIV-System, es ist nur nicht anonym und die Forderungen betreffen einen persönlicher, bzw. man kann ihnen schwerer ausweichen.

Um in der Ausgangsdiskussion zu bleiben (da ging es um Hartz IV und um Ausländer, die das System ausnützen): wenn in Marokko jemand nichts zum System Familie - und dazu zählen Kinder an erster Stelle - beizutragen hat, ist er eine Belastung und früher oder später wird man demjenigen das auch sagen: wobei es tausend Möglichkeiten der Kompensation gibt für Kinderlosigkeit (man kann auch ein Haus mitbringen, oder eine Arbeit für ein Familienmitglied, oder man nimmt ein Kind auf, oder bezahlt die Schule etc. etc.) - und man nicht gleich eine Zweitfrau akzeptieren muß.

Mit dem Islam hat das allerdings nichts zu tun, der verlangt ja immerhin, daß man jede Frau gleichberechtigt behandeln muß, was ja eher eine Belastung als eine Freude ist: eine Scheidung nach westlichem Muster ist in dieser Hinsicht viel komfortabler, da gibt es einmal Geschrei und anschließend hat man seine Ruhe.

Josi