hallo
aqua,
die erfahrung habe ich im süden auch gemacht.
vor zwei jahren haben wir verwandtschaft in tinjdad besucht. der besuch sollte eigentlich eine woche dauern, nach drei tagen allerdings habe ich meiner frau klargemacht, dass der besuch doch wohl kürzer ausfällt.
ich war es einfach leid, jeden abend zum bier holen genötigt zu werden um mich eine kurze weile danach mit irgendwelchem blödsinn vollquatschen zu lassen.
da muss man sich dann den ganzen abend anhören, wie grossartig, gut und wichtig sie doch sind. und das alles ganz nah am ohr. ich kann alles brauchen, nur das nicht.
das kann richtig unangenehm werden.
und dann steigen sie in ihre karre und geben gas.
ich würde mal schätzen, ohne wiederum eine statistik vorlegen zu können, dass durch den alkohol in ma viel mehr menschen zu tode kommen, als durch den gern kritisierten ramadan.
alleine durch die ganzen schlägereien und messerstechereien.
hier in chaouen, in meinem kleinen paradies, ist es nicht so schlimm aber auch hier ist meistens der alk schuld, wenn es eine gewalttat gibt (und neuerdings die kleinen roten pillen aus der schweiz). erst neulich hat wieder einer aus nichtigem grund seinen saufkumpanen abgestochen. dann wird immer der örtliche schwarzhändler aus für ein paar wochen aus dem verkehr gezogen.
dann müssen sie das teuere marokkanische bier kaufen, anstatt dem billigen geschmuggelten aus spanien.
die wirklich harten trinker hier sind alle am vernarbten gesicht zu erkennen. gott sei dank sind das hier nicht so viele, wie weiter südlich.
das mindeste, was ein besoffener tun muss, ist sein revier in form von zerbrochenen bier-wein oder schnapsflaschen zu kennzeichnen. kaum ein leicht erreichbares, schönes plätzchen, das nicht mit glassplittern übersät wäre.
wenn man kinder hat, kann einen das schon nerven.
hier in chaouen sind es hauptsächlich vier gruppen von trinkern.
die, die viel mit ausländern zu tun haben.
kaum ein guide, der nicht säuft.
die bekommen im sommer den alk von den touristen und im winter bekommen sie lange zähne.
dann gibt es ein paar richtig harte alkoholiker, die auch schon mal zum spiritus greifen, wenn der schwarzhändler wieder mal ausser betrieb ist.
dann gibt es die beamten und funktionäre von ausserhalb, die für 3 oder 5 jahre nach chaouen versetzt werden und ärtze, anwälte und sonstige freiberufler mit höherer bildung.
die sitzen dann an der bar im hotel asmaa und unterhalten sich in einem mischmasch von französisch und darija, während sie sich die kante geben und dann ein taxi rufen.
ich hatte mal einen nachbarn, den chef des örtlichen militärs, aus tan-tan. der kam regelmässig am samstagnacht nach hause und hat seine frau niedergemacht. da brauchte man keinen kalender, wenn in der nacht zuvor geschrei beim nachbarn war, ist sonntag.
unter den polizisten gibt es hier nicht viele, die trinken. unter den gandarmen dafür umso mehr.
dann gibt es die von hier. das sind dann die kleinen beamten und handwerker, die eigentlich ganz geschickt sind, aber durch ihren suff zu nichts kommen. die sind mir am sympathischsten.
und halt die jugend, die den alk ausprobiert, wie viele jugendlchen in der welt, die am liebsten das tun, was verboten ist.
die meisten davon hören mit dem trinken radikal auf, wenn sie mal heiraten.
natuerlich trifft meine ansicht nur auf einen teil der, meistens maennlichen, bevoelkerung zu, aber es ist schon erschreckend.
so ein satz wie dieser, ist das was in den postings der "alles schlecht in ma, ich weiss gar nicht weshalb ich mich mit denen überhaupt beschäftige"- fraktion abgeht.
er stellt nämlich die relation klar.
wenn man annimt, dass knapp die hälfte der männlichen bevölkerung trinkt, was sicher sehr hoch gegriffen ist, dann sind es gerade mal 20% der marokkaner, die trinken.
gerade mal doppelt soviel, wie in deutschland kiffen, obwohl der alkoholhandel hier wesentlich weniger restriktiv ist, wie der haschhandel in deutschland.
von doppelmoral kann da nur jemand reden, der keine ahnung hat, oder nicht rechnen kann.
wer in marokko, einem land mit 98 % moslems, eine alkoholausschanklizenz besitzt, ist ein gemachter mann.
ich kann jedem interessierten rund um rabat auf anhieb 20 kleine blechtueren in den vororten wie temara zeigen, hinter denen sich eine moerderbar verbirgt und wo von 11 morgens bis 23 uhr schwer die post abgeht. druckbetankung nennt man sowas.
geh mal nach maastricht, gleich hinter der holländischen grenze und beobachte mal, was da in den coffeshops abgeht.
die mussten schon in industriegebiete verlegt werden, weil den anwohnenrn in der kernstadt der verkehr aus deutschland, der durch sie verursacht wurde, zuviel wurde.
wer dafür eine lizenz besitzt ist auch ein gemachter mann.
Quelle: ein freund, der türsteher in einem maastrichter coffeeshop ist.
ist das ein zeichen von deutscher doppelmoral?
oder schau dir mal die ballermanntouristen an, die nach dem zweiten eimer wunschpunsch nackt auf den tischen tanzen.
glaubst du einer von denen würde das machen, wenn mutti und der chef dabei wären?
ist der deutsche deswegen der doppelmoral erlegen?
dann faehrt man ausserhalb der stadt hinter die naechste duene und ab geht die party. puenktlich zum moscheegang ist man dann wieder in der stadt
das ist doppelmoral. ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass man jemand in die moschee lässt, von dem offensichtlich ist, dass er getrunken hat.
wenn er so tut, als wäre nichts gewesen und seine umwelt dadurch täuscht, dann habe ich nichts dagegen, wenn man das als doppelmoral bezeichnet.
aber wenn jeder weiss, das jemand säuft, und der tut es trotzdem nicht in aller öffentlichkeit auf dem bahnhofsvorplatz, dann ist das ein zeichen von respekt für die gesellschaft und eines der toleranz der gesellschaft und hat in meinen augen mit doppelmoral nichts zu tun.
ich als kiffer wäre froh in deutschland so frei leben zu dürfen, wie der trinker es hier kann.
gruss
Najib